Damit kommen wir zum postfaktischen Problem der Kreativbranche: We call them Pitches. Zurzeit grassieren Fake Pitches ebenso wie Fake News. Beides funktioniert nach dem gleichen Schema: Es werden alternative Fakten geschaffen, dass selbst Pinocchio die Schamesröte ins Gesicht steigt. Jetzt zeigen wir Pitches und Konsorten die lange Nase.
Und das aus gutem Grund: Wer denkt, ein Pitch diente 2017 noch der Auswahl bester Kreation, hat entweder zuviel geraucht oder malt in seiner Freizeit Mandalas aus. Allzu oft spielt nämlich der potentielle Kunde Agentur-Marionetten-Theater. Das Drehbuch ist in Eigenregie verfasst und hat selten ein Happy End. Die Schauspieler werden auch nicht entlohnt, sie dürfen in dieser win-Situation für lau Produkt– und Markenprofile schärfen, CIs entwickeln und kreative Feuerwerke abfeuern. Da lässt sich jemand feiern und zwar mit einer Agentur-Flatrate.
Wir haben hier einmal die beliebtesten Arten der Fake-Pitches zusammengetragen:
DER VAMPIR-PITCH
Deine Kollegen ächzen, das ganze Team gibt alles, arbeitet spät, nachts und sieht morgens aus wie eine Leiche, ausgesaugt, aber die Präsentation steht und ist bildschön, lebendig und gerade rechtzeitig zum Abgabetermin fertig. Und dann entdeckst du Sätze wie diesen in der Ausschreibung: „Die Rechte an der Arbeit werden nicht nur vollständig übertragen, sondern wir stimmen auch noch explizit zu, dass diese von Dritten genutzt, verändert und veröffentlicht werden darf.“ Kopf Tisch. Klar, Graf Dracula und 100 Jungfrauen gibt es noch gratis dazu. Unsere Kollegen von Helllicht haben dazu einen sehr schönen Rant verfasst.
DIE PITCH-BITCH 1
Das Unternehmen ist von dir entzückt, lobt dich in den höchsten Tönen, macht dir Komplimente, sendet Blumen. Schielt dir unverhohlen auf den Hintern und am Ende des Tages heiratet es eine Agentur, die Wackeldackel auf Klorollen häkelt. Qualität? Pfffft.
DIE PITCH-BITCH 2
Alle Agenturen haben ihr schönstes Kleid angezogen. Nur eine nicht, die sagt: „Ich kauf mir einen Kunden.“ Manche Ausschreibungen werden allein nach dem günstigsten Angebot entschieden. Warum nicht einfach irgendein Angebot mit Tiefpreisgarantie abgeben. Ruhm und Ehre und eine tolle Kundenreferenz. Bezahlung war gestern. Das ist zu billig.
DER LOSER-PITCH
Der Heiratsschwindler unter den Pitches: Eine Ausschreibung voller Versprechen, mit Himmel voller Rosen und so. Am Ende des Tages ist der Vogel aber entflogen und alle pitchenden Agenturen gehen leer aus. Darf das? Unsere Kollegen vom Designerdock sind sich einig: „Das geht ohne weiteres nicht: Die Ausschreibung eines Pitches beinhaltet eine rechtliche Verpflichtung, dem Gewinner den versprochenen Auftrag zu erteilen. Rechtlich gesehen handelt es sich um eine sog. Auslobung (§657 BGB), die ein bindendes Versprechen zum Gegenstand hat.“
DER WRESTLING-PITCH
Die Agenturen betreten den Ausschreibungsring. Sie geben ihr Bestes. Lassen die kreativen Muskeln spielen. „Träumerlein, wach auf oder glaubst Du auch, dass Wrestling ein echter Ringkampf ist?“ Der Gewinner steht hier von Anfang an fest, aber man brauchte halt drei Angebote oder fünf. „Mir doch Wurst, ob andere umsonst arbeiten. Ich tu halt meinen Job.“ Danke für nichts, Honey.
Wir machen echt geile Werbung: kreativ, wertschätzend und wertschöpfend. Und das machen wir gerne und gut (bleiben wir bescheiden). Aber nicht umsonst. Im Rheinland gibt es das schöne Sprichwort „Wer poppe will, muss fründlich sin.“ Und so halten wir es im übertragenden Sinne künftig auch: Kein Trump’sches Gratis-Grapschen mehr. Wir freuen uns auf jeden Kunden, der unsere Kreativität herausfordern möchte und nehmen auch schwierige Arbeiten gerne an: auf Augenhöhe und mit Respekt. Dann klappt das auch mit der Partnerschaft.
Feedback und eigene Erlebnisse sind gerne erwünscht. Teilt Eure Erfahrung mit uns in den Kommentaren.